EUGH Urteil über eine Gewinnberichtigung nach § 1 AStG bei unentgeltlicher Sicherheitengestellung

Der EuGH hat unter dem 31. Mai 2018 in der Rechtssache „Hornbach Baumarkt AG“ (C-382/16) sein langerwartetes Urteil veröffentlicht und das hat erhebliche Sprengkraft. Im Urteilsfall ging es um Patronatserklärungen, für die der deutsche Gesellschafter den ausländischen Tochtergesellschaften kein Entgelt verrechnet hatte.

Der EuGH hat unter dem 31. Mai 2018 in der Rechtssache „Hornbach Baumarkt AG“ (C-382/16) sein langerwartetes Urteil veröffentlicht und das hat erhebliche Sprengkraft. Im Urteilsfall ging es um Patronatserklärungen, für die der deutsche Gesellschafter den ausländischen Tochtergesellschaften kein Entgelt verrechnet hatte.

Die ausländischen Konzerngesellschaften besaßen unstreitig ein negatives Eigenkapital und waren für die Fortführung ihres Geschäftsbetriebs sowie für die beabsichtigte Erweiterung auf Bankkredite angewiesen. Die finanzierende Bank hatte die Gewährung der Kredite von der Gestellung einer (sog. harten) Patronatserklärungen durch die Klägerin (der inländischen Gesellschafterin) abhängig gemacht. Das zuständige Finanzamt ging davon aus, dass voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder ähnlichen  Umständen eine Haftungsvergütung (Aval) vereinbart hätten und berich-tigte die Einkünfte der Klägerin nach § 1 Abs. 1 AStG (in der ab 2003 geltenden Fassung) um die angenommenen Haftungsvergütungen.

Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin gegen die zugrundeliegenden Bescheide Klage beim Finanzgericht Rheinland-Pfalz. Dies legte dem EuGH wegen Zweifels an der Vereinbarkeit des § 1 AStG mit der Niederlassungsfreiheit zur Vorabentscheidung vor. Das Finanzgericht begründete die Vorlage u.a. damit, dass ein Steuerpflichtiger zwar im Rahmen der Fremdvergleichsprüfung die Möglichkeit habe darzulegen und nachzuweisen, dass die mit der ausländischen Gesellschaft vereinbarten Bedingungen dem Drittvergleich entspreche. Die Norm sehe jedoch nicht vor, außersteuerliche wirtschaftliche Gründe für den Abschluss eines Geschäftes zu nicht fremdüblichen Bedingungen nachzuweisen, die in der gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit der beteiligten Parteien liege. Die Vorschrift lasse unberücksichtigt, dass der Gesellschafter ein wirtschaftliches Eigeninteresse am geschäftlichen Erfolg „seiner“ Gesellschaft haben könne, weil er an diesem Erfolg über Gewinnausschüttungen partizipiere.  Darin sah das Finanzgericht einen erheblichen wirtschaftlichen Grund im Sinne der bisherigen EuGH-Rechtsprechung in der Rechtssache „SGI“ (Urteil vom 21.01. 2010 Rs. C-311/08).

Der Generalanwalt folgte insbesondere dem letztgenannten Argument in seinen Schlusssanträgen vom 14. Dezember 2017ausdrücklich nicht. Würde man das wirtschaftliche Eigeninteresse als Rechtfertigung für nicht fremdvergleichskonforme Bedingungen zulassen, würde dem Begriff des fremdüblichen Geschäfts jede Bedeutung genommen. Dies hätte zur Folge, dass alle geschäftlichen Transaktionen mit Tochtergesellschaften von der Anwendung des Grundsatzes vollständig und ohne Weiteres ausgenommen wären, weil eine Muttergesellschaft stets ein Interesse daran haben wird, dass ihre Tochtergesellschaft erfolgreich ist.

Überraschender Weise ist der EuGH der Ansicht der Klägerin und des vorlegenden Finanzgerichts gefolgt, ohne mit einem Satz auf die umfangreiche Argumentation des Generalanwalts eingegangen zu sein.

Der EuGH bejahte zunächst einen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit, der nur unter dem Gesichtspunkt der Notwendigkeit der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedsstaaten gerechtfertigt sei und bejahte diese Rechtfertigung im vorliegenden Fall. Der  § 1 AStG sei geeignet diesem Ziel zu genügen. Das nationale Recht müsse aber auch erforderlich sein, den Eingriff in die Niederlassungsfreiheit zu rechtfertigen. Dazu muss dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit offen stehen, Beweise für etwaige wirtschaftliche Gründe für den Abschluss eines nicht fremdüblichen Geschäfts beizubringen (wie RS. SGI, C-311/08, Rn. 71 und 72).

Entgegen der Auffassung der deutschen Bundesregierung umfasse der Begriff „wirtschaftliche Gründe“ auch solche, die sich aus dem alleinigen Vorliegen von Verflechtungen zwischen der im betreffenden Mitgliedsstaat ansässigen Muttergesellschaft und ihren in einem anderen Mitgliedsstaat ansässigen Tochtergesellschaften ergebe. Da im vorliegenden Fall die Tochtergesellschaft für die Erweiterung ihres Geschäftsbetriebes auf die Zuführung von Kapital angewiesen sei, da sie über kein ausreichendes Eigenkapital verfüge, könnten wirtschaftliche Gründe die Überlassung von Kapital durch die Muttergesellschaft - auch - unter nicht fremdüblichen Bedingungen rechtfertigen.

Im Übrigen wurde durch den Beklagten und der Bundesregierung keine Steuerumgehung, sei es in Gestalt der rein künstlichen Gestaltung, noch die reine Gewinnminderungsabsicht geltend gemacht.

Somit könnte das „wirtschaftliche Eigeninteresse“ der Klägerin an dem Erfolg der Tochtergesellschaft die unentgeltliche Patronatserklärung rechtfertigen, zumal die Klägerin an künftigen Gewinnausschüttungen partizipiere. Darüber hinaus trage sie eine „gewisse Verantwortung“ bei der Finanzierung der Tochtergesellschaft.

Es sei nun Aufgabe des vorliegenden Finanzgerichts zu prüfen, ob der Klägerin die Möglichkeit eingeräumt wurde, Beweise für etwaige wirtschaftliche Gründe für den Abschluss der Patronatserklärungen beizubringen, ohne dabei auszuschließen, dass wirtschaftliche Gründe, die sich aus ihrer Stellung als Gesellschafterin der gebietsfremden Gesellschaft ergeben, berücksichtigt werden können.

Aussicht und mögliche Konsequenzen

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass das Finanzgericht Rheinland-Pfalz im Ausgangsverfahren nunmehr feststellen wird, dass der Klägerin zu Unrecht die Möglichkeit genommen wurde, ihr wirtschaftliches Eigeninteresse an dem künftigen Erfolg ihrer Tochtergesellschaften durch den Verzicht auf Avale für die gegebenen Patronatserklärungen darzulegen. Damit wäre das fremdunübliche Verhalten auch unter § 1 AStG gerechtfertigt.

Die Konsequenzen dieser EuGH Rechtsprechung hat der Generalanwalt beim EuGH in seinen Schlussanträgen vom 14. Dezember bereits beschrieben (Rn. 107f.), in dem dieser richtig herausgearbeitet hat, dass es in der Sache entscheidend darum gehe, welche Arten wirtschaftlicher Gründe für die Akzeptanz fremdunüblichen Verhaltens zwischen verbundenen Unternehmen zulässig sind bzw. künftig zugelassen werden. Wenn nunmehr die Gewährung günstiger, unüblicher wirtschaftlicher Bedingungen allein damit begründet werden kann bzw. könnte, dass es wichtig sei, den Erfolg der Tochtergesellschaft zu gewährleisten, wird dem Begriff des fremdüblichen Geschäfts im europäischen Rahmen jede Bedeutung genommen! Es ist vorstellbar, dass künftig alle geschäftlichen Transaktionen mit Tochtergesellschaften von der Anwendung des Fremdvergleichs-grundsatzes ohne Weiteres und vollständig ausgenommen wären, weil ein Gesellschafter in jedem Fall ein Interesse an dem Erfolg seiner Gesellschaft hat, sofern diese nicht rechtsmissbräuchlich und aus reiner Steuerminderungsabsicht vereinbart wurden.

Es wird abzuwarten sein, wie der deutsche Gesetzgeber mit diesem Urteil umgehen wird. Möglich wäre ggfs. im Rahmen der lange angekündigten sog .Fremdvergleichs-Verordnung einen Katalog nicht anerkannter wirtschaftlicher Gründe oder aber einen Positiv-Katalog allein anerkannter wirtschaftlicher Gründe bei festgestellten fremdvergleichsunüblichen Bedingungen zu formulieren.

Verletzt eine solche Rechtsverordnung europäisches Unionsrecht, wird nach h.M. Europarecht innerhalb des abstrakten Normenkontrollverfahrens nach Art. Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG i.V.m. §§ 13 Nr. 6, 76 BVerfGG vom Bundesverfassungsgericht überprüft. Ein Verstoß gegen Europarecht  würde jedoch nicht zu einer Unwirksamkeit, sondern zu einer Unanwendbarkeit der Norm führen, da das Unionsrecht lediglich Anwendungsvorrang und keinen Geltungsvorrang besitzt. Das zuständige Bundesverfassungsgericht hätte bei einem solchen Verstoß  die Feststellung der Unanwendbarkeit der gemeinschaftswidrigen Norm zu treffen. Möglich wäre aber auch eine sog. inzidente Normenkon-trolle durch ein Finanzgericht. Mit einer möglichen Fremdvergleichs-Verordnung wäre die im Einzelfall zu klärende Frage nach anerkannten wirtschaftlichen Gründen bei an sich fremdunüblichen Bedingungen zwischen verbundenen Unternehmen ebenfalls nicht final geklärt.

Der BFH hatte noch mit Urteil vom 25. Juni 2014 (I R 88/12) die Europarechtskonformität des bis 2002 geltenden § 1 AStG Abs. 1 im Falle einer zinslosen Darlehensgewährung eines Gesellschafters an seine Gesellschaft verneint. Das sächsische Finanzgericht hat den ab 2003 geltenden § 1 AStG unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil für europarechtskonform gehalten. Die Revision dazu ist unter dem Az. I R 14/16 beim BFH anhängig.

 

Kontakt

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Stefan im Schlaa, Rechtsanwalt

Email: imschlaa(at)ispglobaltax.com